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Friday, 25. February 2011 12:00

 

Es sind noch 50 Tage bis zur WM in der Schweiz!

Frauennati.ch nahm dies zum Anlass um mit dem Staff des Nationalteams über den Stand der  Vorbereitungen zu sprechen.

Jungs, euer letzter Test liegt knapp zwei Wochen zurück. Ihr habt den Mountain Cup gewonnen. Dürfen wir jetzt den Champagner kaltstellen? Es war bereits das dritte Turnier, welches ihr diese Saison gewonnen habt! Und am MLP habt ihr ja sogar Finnland geschlagen!
René Kammerer, Headcoach (RK): „Selbstverständlich tun diese Resultate allen gut. Der Weg stimmt. Allerdings müssen wir die Ergebnisse im richtigen Licht betrachten. Wir wissen nicht, welche Pläne die anderen Nationen jeweils hatten. Alle Kader werden sich zum Teil gehörig verändern. Tagesform, Umgang mit der Situation an der WM. Dann noch alle die Ereignisse die ungeplant eintreffen können. Wir bleiben auf dem Boden und nehmen Spiel für Spiel. Mittlerweile dürfen wir aber auch mit einem gewissen Selbstwertgefühl in die Spiele gehen.“

Was ist denn der Grund für die Absenzen bei allen Teams?
Michael Fischer, Assistant Coach (MF): „Es ist so, dass die Nationalteams im Vorfeld von Vancouver ihre Programme enorm nach oben gefahren haben. Dazu haben sie auch Spielerinnen zentralisiert und für praktisch ein ganzes Jahr aus den Universitäten rausgenommen. Dies war nur möglich mit dem Gegengeschäft, diese in der aktuellen Saison deutlich weniger zu beanspruchen. Somit haben gerade die Nationalteams mit vielen Spielerinnen in Übersee stark schwankende Kaderstrukturen während diesem Winter. Für die WM werden aber alle verfügbar sein."

Wie geht ihr eigentlich mit Spielerinnen um, welche im Ausland spielen?
Philipp Steiner, Team Manager (PS): „Wenn eine Spielerin die Chance hat im Ausland Ausbildung/Beruf und Eishockey so zu betreiben, dass sie von professionellen Strukturen profitieren kann ist dies natürlich toll. Die Tatsache, dass wir pro Saison nur einen Flug über das Nationalmannschaftsbudget finanzieren können, bringt aber eben auch mit sich, dass diese Spielerinnen „nur“ eine Chance haben sich für das WM-Kader zu empfehlen.
Die Spielerinnen welche in der Schweiz spielen, sichten wir bei unseren monatlichen Camps und Spielen mehrmals pro Saison, entsprechend bieten sich Ihnen mehrere Chancen sich in positives Licht zu rücken.
Für uns heisst dies aber auch, dass wir selten mit vollem Kader Camps und Spiele bestreiten können, was auch nicht immer einfach ist aber wir wissen damit umzugehen. Zudem gibt dies auch Spielerinnen des erweiterten Kaders die Möglichkeit sich vermehrt zu präsentieren und fürs WM-Kader zu empfehlen."

O.k., Zentralisierung ist also weniger ein Thema vor solch einem Topevent quasi vor der Haustür?
RK: „Aufgrund unserer Situation in der Schweiz war das nur kurz ein Thema. Wir haben im Moment weder die Mittel, noch die Strukturen, um uns zentralisiert auf einen solchen Event vor zu bereiten. Somit haben wir mehr oder weniger einen Aufbau wie in der Vergangenheit gewählt. Allerdings absolvierten wir mehr internationale Turniere als auch schon."  

Wenn wir aber rasch abschweifen… In Winterthur plant der Verband ein Zentrum mit 5 Eisflächen, diverser Infrastruktur und die Zentrale von Swiss Ice Hockey. Eine Chance für die Frauen?
PS: „Momentan hört man in den Medien lediglich von der Förderung der Jungs. Wir gehen aber davon aus, dass auch talentierte Mädchen dort eingebunden werden. Die Gespräche dazu werden wir bestimmt noch mit SIHA führen und werden uns entsprechend dafür einsetzen.
Das Zentrum in Winterthur ist aber sicher ein wegweisender Entscheid, von welchem das Schweizer Eishockey generell profitieren wird. Ich bin begeistert, dass es gelungen ist diesen Schritt machen zu können und gehe davon aus, dass wir mit den Frauen Nationalmannschaften ebenfalls von dieser Infrastruktur profitieren können.
Leider wurde das Thema Spitzensport RS und WK’s für Eishockeyspielerinnen auf nächstes Jahr verschoben aber wenn uns gelingt dies dann ab 2012 zu starten und ab 2013 noch zusätzliche Möglichkeiten haben in Winterthur, dann haben wir einen wichtigen Schritt nach vorne getan."

Ich nehme an, dass ihr da am Ball bleibt. Nun gut, zurück zum Thema. Wie sieht euer Restprogramm bis zur WM hin aus. Was macht ihr?
RK: „Ende März bestreiten wir nochmals ein kurzes Camp mit zwei Länderspielen gegen Deutschland. Anschliessend wird dass entgültige WM Kader definiert. Am 8. April dann starten wir mit der unmittelbaren WM Vorbereitung. Während des WM Pre Camp absolvieren wir noch einmal zwei Länderspiele. Eines gegen Japan, und eines gegen Russland. Diese Gegner wurden bewusst so gewählt.“

Ihr spielt Ende März nochmals gegen Deutschland. Das ist aussergewöhnlich, nicht?
MF: „Nein, eher ein Glücksfall. So können sich gerade die Spielerinnen welche durch ein früheres Saisonende zur Pause gezwungen werden, nochmals im Ernstkampf beweisen. Dies gibt uns Coaches eine zusätzliche Möglichkeit der Standortbestimmung kurz vor der Selektion.
Zustande kamen die Spiele hauptsächlich durch den Umstand, dass sich Deutschland intensiv auf ihre Heim-WM vorbereitet und diese beiden Partien als Testspiele nutzen kann."

Am Wochenende ist in Schweden das EHT-Turnier der anderen europäischen Top Mannschaften zu Ende gegangen. Schweden hat gewonnen. Wie lautet eure Einschätzung zum Formstand der teilnehmenden Teams?  
MF: „Es hat sich nach Vancouver abgezeichnet, dass Finnland ein paar Rücktritte mehr zu verkraften hatte als beispielsweise Schweden. Was jedoch bei beiden Teams wie eingangs erwähnt auffällt, ist dass sie mit verschiedenen Kader an die jeweiligen Zusammenzüge gekommen sind. Schweden einfach mit einer leicht konstanteren Zusammensetzung und entsprechend etwas mehr Erfolg. Das wahre Gesicht werden wir erst an der WM sehen.
Das gilt auch für Russland. Am letzten EHT fehlten rund 7-8 Spielerinnen von SKIF, welche ab heute am EWCC-Final starten. Trotzdem haben sie „nur“ 1:2 gegen Schweden verloren und am MLP haben sie Finnland gar nach 60 Minuten geschlagen. Ich denke ihr Profiprogramm schlägt nun schrittweise durch. Zudem fehlten die ganze Saison Smolentseva und Gavrilova und die gehören zu den Teamstützen.
Deutschland hat nur wenige Spielerinnen im Ausland und tritt meist in WM-naher Zusammensetzung an. Mit der Unterstützung des Publikums in Ravensburg zählen sie zum engsten Kreis der Aufstiegskandidaten.“

Man darf aus den diversen Turnieren und Spielberichten den Eindruck gewinnen, dass die Weltspitze zusammengerückt ist. Stimmt dieser Eindruck?
Daniel Hüni, Assistant Coach (DH): „Ja! Die Ränge 5 bis 16 in der Welt sind tatsächlich näher zusammengerückt. Das heisst, dass die Nationen bis ins Mittelfeld der Division II aufgeholt haben. Frankreich hat in Sursee China geschlagen, Tschechien in Monthey die Slowakei. Zwei Div. II-Teams haben Olympiateilnehmer geschlagen. Österreich hat schon mal den Mountain Cup gewonnen und Japans U18 hat zumindest eine Top Division WM gespielt. Die tschechische U15 hat in ihrer Altersklasse keine Gegner und Norwegen hat die Schweiz arg gefordert am Mountain Cup. Ja, es ist möglich, dass Teams ausserhalb der Top 10 einem Team in den Rängen 5 – 10 ein Bein stellen kann. So gesehen wird die WM nicht nur in der Schweiz, auch in Ravensburg und Caen jeweils eine ganz heisse Sache.“

Wieso sagt ihr 5 – 16? Was ist mit den Top 4?
RK: „Kanada und USA klammere ich aus. Dasselbe gilt für Finnland und Schweden.“

Also rechnet ihr nicht damit, dass in Zürich oder später in Sotchi die Medaillen an andere Teams vergeben werden?
MF: „Nun, sag niemals nie. Aber realistisch ist eher, dass sich zwar die Nationen hinter den Top 4 auf den Weg machen, jedoch auch die oberen Vier nicht einfach ausruhen und warten bis sie eingeholt werden. Gerade eben hat mit Schweden die letzte Nation aus den Top 4 einen Vollprofi für das Frauenhockey beim Verband angestellt. Die 4 geben, das muss man neidlos anerkennen, einfach entsprechend noch mehr Gas.
In den anderen Nationen, denke ich, braucht es erst einen strukturellen und kulturellen Wandel, damit es ähnlich abgeht wie bei diesen Vier.“

Ja, dann hoffen wir auf 2013 und Winterthur! Smile. Winterthur ist ein gutes Stichwort. In 50 Tagen spielt ihr dort gegen Kanada. Kribbelt’s schon?
DH: „Ja, die Vorfreude ist enorm. Wenn man weiss dass es unter Umständen lange dauert bis wieder eine Top Division der Frauen in der Schweiz stattfinden wird, dann ist jedes Spiel ein einzigartiges Erlebnis. Und ich hoffe, dass möglichst viele Verantwortliche aus der Frauenhockeyszene und viele Fans aus dem Herrenhockey an die Spiele kommen um zu sehen was international Sache ist. Ich bin überzeugt, das wird Augen öffnen.“

Wie stehen eure Chancen in dieser Vorrundengruppe?
RK: „Alles, fast alles ist möglich. Alle Gegner nehmen wir ernst. Ein gesunder Respekt. Angst wäre falsch. Wir haben die Fähigkeiten um gegen diese Gegner gute Resultate zu erzielen. Muss ich sagen, dass Kanada der Favorit ist? Finnland die Nummer drei der Welt. Kasachstan und wir. Finnland haben wir schon geschlagen, Kasachstan auch.“

Was haltet ihr von dem Modus mit Viertelfinal und Abstieg best-of-three? Ein rechter Unterschied zu den letzten Austragungen der WM oder der Olympics.
DH: „Hammer! Endlich kann auch ein Gruppendritter nach der Vorrunde noch in die Medaillenränge vorstossen. Nur wer wirklich nach 3 Spielen am Schluss steht muss in die Relegation. Ich denke das ist fair und öffnet die Tür zu Überraschungen ein wenig mehr. Denken wir nur an die letzte U-18-WM in Schweden. Da qualifizierten sich die beiden Gruppendritten schliesslich für die Halbfinals als sie die jeweiligen Zweiten eliminierten.“

Wie lautet denn das offizielle Ziel?
RK: „In die Play Off Runde einziehen. Womit wir sicher in den Top 6 wären. Wobei das Erreichen eines Ranges oder Resultates am Ende die Folge davon ist wie gut die kleinen Details umgesetzt werden. Darum wollen wir vor allem die Herzen der Schweizerinnen und Schweizer erobern. Wir wollen zeigen, dass es sich um einen Leistungssport handelt, dass mit Leidenschaft und Engagement gespielt wird. Spielfreude, Einsatzbereitschaft sollen die Zuschauer bei uns spüren. Wir wollen die Leute in das Stadion bringen, und wer ein Spiel gesehen hat soll sagen...“Frauen Eishockey gefällt mir, ich komme wieder“... oder noch besser...“gefällt mir, unterstütze ich erst recht!“

Nun denn, das lässt vieles offen. Wieso kein konkretes Rangziel?
MF: „Diese WM ist vor allem eines: eine Chance. Eine Chance uns vor einem eigenen breiteren Publikum zu zeigen und zu begeistern. Damit wir künftig noch mehr Mädchen finden, welche diesen fantastischen Sport betreiben wollen. Dieses Feuer soll ein Flächenbrand werden.
Wenn sich diese Begeisterung im Stadion einstellt, dann haben wir einen wichtigen Sieg erzielt.
In diesem Sinne gilt: kommt nach Winterthur und taucht die Halle in ein rot-weisses Farbenmeer! Tickets gibt’s unter powerofwomen2011.ch.“

Und du Pipo? Hast du es ruhiger als sonst? Immerhin bewegt ihr euch in dieser Saison kein einziges Mal über unsere Landesgrenzen hinaus!
PS: „Ruhiger kann ich nicht behaupten. Dadurch, dass wir sämtliche Camps und Turniere in der Schweiz bestritten haben diese Saison heisst zwar weniger Reisevorbereitungen aber eben auch organisieren vieler Details vor Ort, was sonst vom Veranstalter im Ausland gemacht wird wenn wir als Gast teilnehmen. Schiedsrichter, Funktionäre, Eishallenverantwortliche, Medien und auch Fragen der Gastnationen landen dann natürlich sehr oft bei mir am Ende. Zum Glück hat Sarah Haslebacher vom Verband sich Zeit nehmen können am Mountain Cup in Romanshorn die Fäden vor Ort in die Hand zu nehmen, was mir wieder einmal die Möglichkeit gegeben hatte mich mehr um „mein“ Team kümmern zu können.
In Dezember Turnier in Sursee zB hatte ich Dauereinsatz und war fast pausenlos am Telefon mit Schiedsrichtern welche im Schneesturm hängengeblieben sind und mit Medienanfragen für Interviews mit Chinesinnen oder dem Schweizer Fernsehen um die Filmaufnahmen mit Florence Schelling fürs Sportpanorama abzusprechen und ihren „Abgang“ am Turnier zu koordinieren, damit sie pünktlich im Fernsehstudio sein konnte. Zudem habe ich noch den Turnierdirektor gespielt, womit natürlich alle Fragen der drei Gastnationen auch bei mir gelandet sind.
Da ist ein Turnier im Ausland viel einfacher, denn da sind wir zu Gast und ich kann mich auf unser Team konzentrieren, meine Anliegen beim Organisator platzieren und dann rennen die herum ;-) ."

Wagen wir trotzdem noch einen Blick nach vorne. Die IIHF hat eine Verantwortliche für den Frauensport benannt welche im vergangenen November ihre Arbeit aufgenommen hat. Zudem soll auch programmmässig viel passiert sein. Was lässt sich dazu sagen?
RK: „Im Sommer 2010 fand ein Workshop in Vierumäki, Finnland, statt. Dort wurde diskutiert, mit welchen Massnahmen die Nationen hinter Kanada und den USA weiter gebracht werden können. Da wurden ganz viele gute Vorschläge gemacht. Unter anderem auch, dass wir Turniere brauchen, wo auch die Besten dabei sind. Du wirst besser, wenn du dich nach oben, nach vorne orientierst. Diese Turniere sind in der Planung. Wie sich das auswirkt wird sich zeigen.“
PS: Ja das ist so und bestimmt der richtige Schritt seitens IIHF. Ich denke auf Dauer werden auch die nationalen Verbände welche dies noch nicht realisiert haben wohl kaum mehr darum herumkommen, Verantwortliche fürs Fraueneishockey zu engagieren, wollen sie im internationalen Eishockey den Anschluss nicht verlieren. Vielleicht hat’s ja dann in Winterthur ein Büro frei dafür bei der SIHA  :) .
Momentan habe ich direkt keinen Kontakt zur neuen Frauenverantwortlichen beim IIHF, Tanya Foley. Was einerseits daran liegt dass sie via Womens Committee kommuniziert wo Barbara Müller die Schweiz vertritt, sie aber ebenso wenig beim Verband angestellt ist wie ich. Barbara hält mich aber ständig auf dem Laufenden, damit ich Bescheid weiss was so diskutiert wird.
Die weiteren Mitglieder des Committees sind aus den Nationen CAN, USA, FIN, SWE und der SVK und allesamt Angestellte ihrer jeweiligen nationalen Verbände, womit die Wege natürlich wesentlich kürzer sind.“

O.k., dann freuen wir uns also, dass die IIHF vorwärts macht und hoffen, dass die Nationen diesen grossen Schritt mitgehen können. Wir bleiben am Ball. Zum Schluss der obligate Wunsch, dieses Mal zum Thema „WM in der Schweiz“:
RK: „Dass diese Sportart nachhaltig wahrgenommen und unterstützt wird.“
PS: „Ich wünsche mir, dass hoffentlich bald eine Werbekampagne über die gesamte Schweiz gehen wird, damit die Bevölkerung davon Kenntnis nimmt und möglichst viele Zuschauerinnen und Zuschauer aus allen Regionen der Schweiz die Spiele besuchen werden. Die WM ist ein internationaler Event und soll nicht nur in der Region Zürich und Winterthur wahrgenommen werden. Ein wichtiger Schritt wäre natürlich, wenn SF darüber berichten würde.“
MF: „Ich wünsche mir, dass wir uns als Team voll auf das sportliche Turnier konzentrieren. So wie wir das schon in Vancouver geschafft haben.“
DH: „Freude und Begeisterung. Vor und in der Halle. Bei den Teams und bei den Zuschauern. So dass der Event noch lange nachhallt.“

Vielen Dank für eure Zeit und wir wünschen euch eine erfolgreiche WM-Vorbereitung! Wir werden nach der Bekanntgabe des Kaders nochmals ein paar Worte mit euch wechseln.