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Friday, 17. August 2007 07:53

 

Interview mit M. Fischer

Hallo Michael Fischer – am 19. August steht die Taufe deines Sohnes Alain auf dem Programm, wie geht es dir?

MF: Sehr gut, danke! Ich konnte ja schliesslich auch einen prominenten Götti für Alain gewinnen :) . Wir freuen uns auf die Taufe, das Alain gesund ist und eine kräftige Stimme hat ;) .

 

In 3 Wochen gilt es für das Fraueneishockey Nationalteam der Schweiz wieder ernst. Länderspiele gegen Deutschland stehen an. Welcher spontane Gedanke kommt dir dazu?

MF: Vorfreude! Zum einen ist es die erste Gelegenheit für einen Ernstkampf in dieser Saison und natürlich spielt auch der Gedanke an das letzte Resultat gegen Deutschland eine Rolle. Diese Niederlage tut ihnen bestimmt noch ein bisschen weh und sie wollen vor eigenem Publikum diese Scharte sicher auswetzen. Aber dieser Weg führt nur an uns vorbei!

Im weiteren liebe ich Füssen, eine fantastischer Ort um Eishockey zu spielen.

 

Der Erfolg von Winnipeg liegt nun 4 Monate zurück, welche Eindrücke sind geblieben?

MF: wo soll ich mit schwärmen anfangen? Jeder Gedanke an diese unglaublichen 3 Wochen lassen mich wieder erschaudern. Ich wünsche jeder Schweizer Eishockeyanerin, dass sie so etwas einmal erleben darf. In Kanada schlafen, essen und denken sie Hockey und das bekommt man zu spüren. Ausverkaufte Hallen in Vorbereitungsspielen zwischen zwei fremden Frauennationalteams. Eine Begrüssungszeremonie mit einheimischen Hockeygirls, Autogrammstunden, den Klubbus die ganze Zeit nur für uns, Ansprachen des Bürgermeisters, Malwettbewerbe in den Schulen zu Ehren von uns und die beste Garderobe vor Ort waren nur einige der Eindrücke die du hierzulande einfach nicht kennst. Und das war "nur" das Vorbereitungscamp!

Der nächste Wahnsinn dann in Winnipeg selber mit einem Wahnsinns-Hotel mit einem riesigen Tanzsaal als unser Ess- und Theoriesaal. Bestückt mit einem brandneuen Flachbildfernseher und einem DVD-Gerät. Dazu bekam jedes Team als Fahrzeug für die beiden Hosts einen nigelnagelneuen Pick-Up Truck als Fahrzeug zur Verfügung. Wert ca. 70'000 CHF! Leider durften wir ihn nicht behalten ;) Nebst Lederinterieur hatte der Wagen auch eine DVD-Anlage im Fonds. Aber Zeit hatten wir natülich nie, das auch zu nutzen...

Super-Betreuung durch unsere Hosts und eine einmalige Sportstätte als Austragungort unserer erfolgreichsten WM seit 1990. Ja echt, es war der absolute Wahnsinn. 11'000 Zuschauer bei unserem ersten Spiel, das Eröffnungsbully angespielt von Steve Yzerman himself und ein superfaires Publikum, dessen Herzen wir sehr schnell erobert haben. Das verdanken wir auch unseren besten Fans ever, dem Schweizerklub von Winnipe/Manitoba. Sie kamen an den Flughafen um uns mit Sennechutteli, Glocken, Alphorn und Zahllosen Fahnen zu empfangen, sie kamen nach Steinbach ans Spiel gegen die Russinnen, sie kamen an ein Bankett ins Hotel in Winnipeg und an alle Spiele im MTS-Centre. Ah ja, und am letzten Tag standen sie noch am Flughafen um uns zu verabschieden. Dazu fuhren sie jedesmal rund 1 - 2 Stunden im Auto hin und zurück - nur wegen uns. Da läuft es mir gleich wieder kalt den Rücken runter! Der eine zB engagierte extra einen Melker, damit er mit uns das Bankett geniessen durfte und derselbe stand am letzten Tag extra 2 Stunden früher auf um die Kühe noch zu melken, damit er uns am Flughafen Good Bye sagen konnte! Und wiederum eine jüngere Anhängerin unseres Teams schwänzte die Schule, nur damit sie uns gegen China spielen sehen konnte. Ja, so war das. Einfach der Wahnsinn.

Und natürlich darf ich nicht vergessen zu erwähnen, dass es sportlich sehr gut lief und die Girls sich von dieser einmaligen Stimmung anstecken liessen. Diese Freude und dieser Drive waren schön anzusehen und ich war einmal mehr stolz, ein Teil dieser Gemeinschaft sein zu dürfen.

Kurz gesagt ;) was mir so geblieben ist von der letzten WM... Aber ich könnte noch lange erzählen, zB... :)

 

Die neue Saison läuft bereits, wie ist der Stand der Vorbereitungen?

MF: Wir Trainer durften uns zufrieden zeigen, stieg doch das Team auf einem guten Niveau wieder in die Schlittschuhe. Sollten sie weiter an der technischen Grundschule arbeiten, so sollten wir unseren Weg diese Saison fahrplanmässig gehen. In Füssen und Kaufbeuren im September werden wir bereit sein.

 

In der vergangenen Saison spielte das Team nie in der Schweiz. Ist das in dieser Saison wieder so? Oder wo und wann kann ich die Eisladys spielen sehen?

MF: ja, letzte Saison war eine reine Auswärtssaison und wir sind unseren Fans einiges schuldig geblieben. Dafür bekommt man diese Saison einiges zu sehen, angefangen im November wo wir in Romanshorn gegen Deutschland und allenfalls Russland antreten dürfen und dann im Dezember zum ersten Mal seit langem auch wieder in der Romandie wo am 30.12. in Neuchâtel ein Spiel gegen die aktuellen U19-Meisterinnen aus den USA steigen wird, welches anderntags in Lausanne seine Fortsetzung findet. Danach geht's an den Air Canada Cup der ganz in der Nähe in Ravensburg stattfindet und im Februar bestreitet ein Team aus Challengern aus der U22, der U18 und dem A-Team ein 4 Länderturnier in Romanshorn. Dort treffen wir auf Japan A, Frankreich A und Österreich A. Anschliessend ist schon wieder WM und die findet halt nicht in der Schweiz statt, sondern etwas weiter weg :)

 

Wenn ich richtig informiert bin, findet die WM 08 in China statt. Ist das korrekt, und – wenn ja - welche Gedanken schiessen dir dabei in den Kopf?

MF: ah, jetzt ist es draussen. Ja, die WM wird in China, voraussichtlich in Harbin im Nordosten des Landes stattfinden. Zur Zeit ist aber noch keine Information erhältlich und es würde uns nicht wundern wenn plötzlich Peking als Austragungsort wechseln würde. Dort finden ja nur Monate später die nächsten Olympischen Sommerspiele statt.

Spontan kommt mir natürlich das Sportliche in den Sinn. Gegner und Modus, Chancen und Risiken. Aber auch Land und Leute werden eine Erfahrung sein. Ich war noch nie in China und freue mich sehr auf diese WM.

 

Nach welchem Modus wird gespielt, und wer sind die Gruppengegner der Schweiz?

MF: Es wird der Modus von Winnipeg gespielt, sprich also in drei 3er-Gruppen. Da wir in Winnipeg 5. wurden sind wir mit dem WM-Zweiten und dem WM-Achten von Winnipeg in der Gruppe, was heisst dass wir abermals Deutschland und dann die USA spielen dürfen. Eröffnet wird die Gruppe mit dem Spiel Deutschland - USA, dann Schweiz - Deutschland und schliesslich USA - Schweiz. Der Gruppensieger kommt sicher in ein Medaillenspiel, der Gruppenzweite in eine Art Barrage um das Spiel um Bronze, der Letzte muss in die Relegationsrunde. Sportlich eine grosse Herausforderung, denn Fehler sind fast keine erlaubt.

 

Der Presse konnte entnommen werden, dass 3 Spielerinnen einen Vertrag in Übersee abschliessen konnten. Wie beurteilst du diese Tatsache, resp diese Entwicklung.

MF: Da schiesste es mir wieder in den Kopf, dass wir in Winnipeg noch Angebote für Vollstipendien für mehrere Spielerinnen von mehreren Schulen im Wert von total ca. 4 Millionen (!) Schweizer Franken erhalten haben. Und ich bin stolz, dass es dieses Jahr für die drei Spielerinnen, welche sich das am meisten gewünscht haben und sich auch echt darum bemüht haben, geklappt hat. Ich sehe sie als Vorreiterinnen für weitere die da folgen werden. Und anders als gewisse Herren und NHL werden sie nicht nach einigen Monaten wieder aufgeben sondern eine neue Ära einläuten. Mittelfristig hoffen wir auf ca. 6 - 10 Spielerinnen, die entweder in Übersee wohnen oder dort in die Schule gehen. Und somit Hockey auf eine ganz andere Weise erleben dürfen. 

Für mich ist das nachwievor der Weg.  

 

In der Schweiz wurde das U 22 Programm eingefroren. Was sind die Gründe hierfür, und was bedeutet das nun?

MF: es gab diverse Gründe, und diese Gründe tun weh! Einerseits weil es die trifft, die wollen, und andererseits weil es eine Tatsache spielgelt: es ist zu wenige Geld für alles vorhanden. Und dieses Jahr wo 2 WMs zu finanzieren sind reichte es am Schluss nur noch für die Finanzierung des Try-Out und des Februarturniers für die Spielerinnen aus der U22. Wie Jörg Toggwiler (Head U18) aber schon sagt wird es künftig wieder wichtig sein, eine U22 zu führne, kommen doch mehr als ein Dutzend Spielerinnen aus der U18 "hoch" in die nächste Alterstufe. Für sie und alle anderen die den Sprung noch nicht ins A-Kader schaffen brauchen wir unbedingt internationale Erfahrung. Das wird für die Zukunft 2011 und weiter entscheidend sein.

 

Einige Teams in der Schweiz – vor allem LK A – haben grosse Probleme. Wie beurteilst du diese Situation?

MF: es ist schade aber irgendwie auch ein Zeichen der Lage. Frauenhockey in der Schweiz ist eine Randsportart, leider und lebt von einigen wenigen "Verrückten" die zT alleine einen Klub führen und finanzieren. Das kann auf Dauer nicht gut gehen und braucht mehr Unterstützung. Logistisch und finanziell und ideologisch vielleicht auch von den Herrenteams. Ansonsten fristen wir weiter unser Dasein irgendwo in der Suppe aller Breitensportarten.

Zudem herrscht natürlich auch eine absolute Fussballeuphorie. Abermillionen von Werbegeldern fliessen in diesen Sport und fehlen andern an allen Ecken und Enden. Nicht nur uns. Und wenn ich lese, dass ein grosser Sportartikelhersteller 500 Millionen Franken für einen Ausrüstervertrag mit einer Fussballnationalmannschaft für 8 Jahre bietet, dann stimmt mich das nur noch nachdenklich und schliesslich traurig. Denn das ist mit Sicherheit der falsche Weg.

 

Wo ist für dich der grösste Unterschied vom nationalen zum internationalem Fraueneishockey?

MF: Im Speed! Nebst dem physischen, psychischen und technischen Unterschied (und der ist gross, sehr gross) ist es der Speed. Du hast fast keine Zeit um noch lang den Puck zu "bäscheln" und du darfst dir keine Fehler erlauben, sonst ist nicht nur der Puck weg sondern meistens auch das Skore auf der anderen Seite um eins höher. Wenn du einmal ein WM-Spiel live gesehen hast, dann weisst du wovon ich spreche. International hat sich das Fraueneishockey extrem entwickelt. Und du siehst heute in der Liga sofort, welches die Nationalspielerinnen sind. Das ist wirklich frappant.

 

Michael Fischer, besten Dank für deine Arbeiten. Wir werden uns sicher noch hören, bis dahin viel Erfolg und eine tolle Taufe : - )

 Merci villmool!