U15 Nationalteam

Schlussinterview Saison 2008-2009

Zum Abschluss der U15-Pilotsaison traf sich frauennati.ch mit dem Staff des neuen Nationalteams zum längeren Interview.

Wie sind die beiden Spiele gegen die East Coast Selects U15 aus Kanada gelaufen?
Nick Heim, Head Coach (NH): Sehr gut, aus meiner Sicht. Der Gegner war uns, obwohl jünger, in punkto Körpergrösse überlegen. Dieses Team war optimal und forderte uns auf äusserste. Zeigte uns auch ab und zu schonungslos unsere Grenzen auf. Die physische Präsenz war enorm und liess uns zu viel weniger guten Chancen kommen als gegen Deutschland oder Österreich.

Wie war das Niveau der Nordamerikanerinnen?
Marc Heiniger, Assistant Coach (MH): Das Niveau würde ich irgendwo zwischen Mini A und Mini Top sehen. Der Vergleich mit den Frauen LKA / LKB ist sehr schwierig.

Wo lagen die hauptsächlichen Unterschiede zwischen den beiden Teams?
NH: Die Ausgeglichenheit und der Zug aufs Tor!
MH: Sehe ich wie Nick, vor allem unterstreiche ich das Abschlussverhalten, da wir technisch noch zu wenig gut ausgebildet sind. Wenn die Räume eng werden, verlieren wir oftmals den Puck und bringen keinen Druck mehr aufs Tor. Somit kommen wir auch nicht in die gefährliche Zone.

Wie war das Teamgefüge bei den Schweizerinnen? Gab und gibt es Unterschiede?

MH: Wir haben ein grosses Gefälle innerhalb des Teams. Auffällig ist, dass man sieht, aus welcher Region die Girls kommen! In der Ostschweiz wird besser ausgebildet als in der Zentralschweiz. Ob das damit zusammenhängt, dass die Spielerinnen aus der ZS tendenziell aus kleineren Clubs stammen, diejenigen aus der OS, im Gegensatz dazu, aber eher aus Grossclubs, kann nur vermutet werden.

Die erste Saison einer U15-Auswahl ist vorbei. Wie lautet Euer Fazit?
NH: Was ich schon nach Romanshorn gesagt habe, gilt noch immer: Ich bin in vieler Hinsicht positiv überrascht, was die Girls in diesen 2 Camps geleistet haben. Es muss einfach eine Fortsetzung dieses Projekts geben. Das ist für mich sonnenklar!
MH: Es hat Riesenspass gemacht! Der Wille, sich zu verbessern, volle Leistung zu geben und als Sieger vom Eis zu gehen, war immer zu spüren. Mit einer solchen Gruppe kann und muss man einfach weiterarbeiten.
Thomas Matter, Teammanager (TM): Dank der super Motivation der Frauen und der Tatkräftigen Unterstützung der A- und U18-Nati können wir die erste Saison als klaren Erfolg verbuchen. Die vier Länderspiele und die Entwicklung im Internationalen Fraueneishockey haben gezeigt, dass wir in Zukunft nicht mehr auf die U15 verzichten  können.
Vreni Feuz, Betreuerin (VF): Nach längerer Pause von der U18 war es für mich ein positiver Einstieg in die U15. Vom Kampfgeist und Willen dieser jungen Girls war ich angenehm überrascht.

In Dübendorf war ja richtig was los an diesen Tagen, Thomi wie hast Du das erlebt?
TM: Ja, allerdings, das ging Schlag auf Schlag! Kaum waren wir am Freitag eingetroffen, kam uns Eiskunstläuferin Sarah Meier, die gerade ihr Training beendet hatte, entgegen. Dann natürlich unsere zwei, absolut spannenden Spiele, gegen die East Coast Selects. Auch Action, die nicht sein müsste, war dabei (Ein Schiedsrichter durch einen Puck am Kopf getroffen und übermotivierte Gegnerinnen, die eine kleinen Rauferei anzettelten). Und als zusätzliches Highlight: Da die Eishalle in Dübendorf die offizielle Trainingshalle der Herren Eishockey WM war, durften wir am Samstag zusammen mit unseren Gegnerinnen das Training der Kanadier mit erleben!

Wo stehen wir international mit der U15? Gibt es Vergleiche?
NH: Das ist im Moment sehr schwierig zu sagen. Wir können davon ausgehen, dass Österreich als Initiator des Bodensee-Cups gegen uns mit der stärksten Besetzung angetreten ist. Deutschland hingegen spielte praktisch mit einer U15 aus Bayern. Dort wird erst in diesem Frühling auch im Norden evaluiert. Von den nordischen Grössen haben wir bis jetzt keine Infos. Die Kanadische Auswahl mit mehrheitlich AAA-Spielerinnen haben unseren Girls körperlich und in Sachen Power einen Vorgeschmack abgeben, was sie in der U18 international erwarten wird!
Ich denke, der Jahrgang 94 ist das Beste was wir bis jetzt je hatten! Im Jahrgang 95 hat es ebenfalls einiges an Talent, aber nicht in der gleichen Menge. Entscheidend wird nun sein, dass wir vielen von ihnen den Weg zu einer Karriere im Leistungssport aufzeigen können und sie in dann auch gehen.

Wieso braucht es Eurer Meinung nach eine U15 überhaupt?
MH: Die U15 sollte die Sichtung und das Heranführen an das internationale Eishockey von der U18 übernehmen. So muss die U18 kein eigentliches Scouting mehr machen und kann sich voll auf die Weiterentwicklung des Teams konzentrieren. Die so gewonnene Zeit kommt dann der Aus- und Teambildung zu Gute.
NH: Die U18 hat es in den vergangenen Jahren mit der Erfassung bereits ab U14-Stufe vorgemacht: Wenn wir die Girls auf der Stufe bereits regelmässig betreuen können, haben wir viel mehr Einfluss auf deren Entwicklung. In diesem Alter entscheidet sich nicht nur im Eishockey sehr viel. Praktisch alle kommen von den Knabenteams her und dort sind die Karriere-Möglichkeiten für Frauen nicht wirklich ein Thema. Ein beträchtlicher Teil kommt auch aus kleineren Klubs mit weniger leistungsorientierten Strukturen. Da braucht es Unterstützung in vielen Bereichen.

Wie viele Spielerinnen pro Jahrgang haben wir in der Schweiz etwa? Wie viele unsere Nachbarn oder andere Länder?
NH: Wir haben momentan etwa 20-30 Spielerinnen pro Jahrgang! Das dies ein viel zu kleiner Talentpool ist, um international auf Dauer mit den Besten mithalten zu können, ist ein Fakt.
In Österreich dürfte es ähnlich aussehen, Italien brauchen wir in dieser Hinsicht nicht zu fürchten. Aber bereits Deutschland, Frankreich, Tschechien, Japan, haben mehr als doppelt so viele Spielerinnen. In Schweden gibt’s eine U16-Meisterschaft für Girlsteams, davon gibt's alleine über 100! Finnland  baut gerade eine Nachwuchsliga auf. Wir hätten eine und brauchen sie (noch) nicht :(. Generell: Wenn man die Anzahl, von Eishockey spielenden Frauen, in den einzelnen Ländern anschaut, ist es eigentlich bereits jetzt fast ein Wunder, dass wir vorne mithalten können!
www.iihf.com/iihf-home/the-iihf/survey-of-players.html
In China und Kasachstan zeichnet sich bereits ab, dass man mit einem zu kleinen Talentpool an die Grenzen kommt! Und diese Länder sind nur bedingt mit uns vergleichbar, da in den Schulen die Talente der Kinder erfasst und diese dadurch gezielt den Sportarten zugeführt werden.
Wir müssen in Zukunft den Clubs mit NW-Abteilung aufzeigen, dass sich Mädchen ausbilden, mit dem neuen Transferreglement, auch finanziell lohnt. Eine LKA-Spielerin bringt dem Ausbildungsclub etwa gleichviel ein, wie ein 2.Liga Spieler! Eine Nationalspielerin noch mehr!
Aber auch die Frauenclubs /-teams müssen sich endlich zur gezielten Nachwuchsarbeit durchringen. Welche Sportart überlebt denn auf Dauer, ohne sich um den Nachwuchs kümmern?
Ich hoffen einfach nicht, dass wir international zuerst ins Mittelmass absinken müssen, wie in den 80er Jahren die Herren-Nati, bis die Zeichen der Zeit erkannt werden und der NW intensiv gefördert wird.

Wie geht es nun mit der U15 weiter? Gibt es ein Programm für die kommende Saison?
NH: Wir sind am planen der nächsten Saison.
Das Ziel ist ein Evaluations-Tag, 2-3 Weekends bis Ende Jahr und der Bodensee-Cup im Februar 2010.

Der Staff hat sich entschlossen, gemeinsam weiter zu machen.
TM: Wie gesagt, wir sind momentan mitten in der Planung der neuen Saison. Ein sehr erfreulicher Punkt ist natürlich, dass Michael Wittwer und Peter Reist das Coaching unserer Goalies übernehmen werden. Damit wir ein möglichst gutes Umfeld bieten können, sind wir noch auf der Suche nach einem Materialwart und einem Masseur/Physiotherapeut.

Welche Ziele habt Ihr für die kommende Saison?
TM: Wir wollen eine funktionierende Organisation aufbauen, welche finanziell tragbar ist und vor allem eine U15, welche sich durch einen guten Leistungsausweis beim Verband empfiehlt und anerkannt wird.
MH: Den Spielerinnen das nötige Rüstzeug on ice (technisch, taktisch) aber auch off ice mitgeben, damit sie sich in ihren Clubtrainings, aber auch individuell selber weiterbringen können. Da uns in den Zusammenzügen leider die Zeit fehlt, voll Ausbildung zu betreiben, geben wir Ihnen Ideen mit, die sie selber umsetzen können. Eine Nationalspielerin muss bereit sein, mehr zu leisten und zu trainieren, als ihre Kollegin im Club!
NH: Das Heranführen der Girls an höhere Aufgaben, Karriere-Management, ihnen individuell ihr Potenzial aufzeigen.

Wo liegen die Hauptpunkte in welchen wir/ihr arbeiten müsst in Zukunft?
NH: Wir haben im ganze CH-Eishockey die ähnlichen Probleme: Die technische und einzeltaktische Ausbildung der Spieler/-innen ist zu wenig gut, um ganz an der Spitze mithalten zu können! Das haben wir soeben bei der Herren-WM gesehen. Nur perfekte Lauf- und Stocktechnik verschafft dem Spieler in dieser schnellen Sportart den kleinen Zeitvorteil, um in einer 1:1 Situation eine Täuschung anbringen oder im Abschluss auch zielen zu können!
Und hier müssen wir auf allen Altersstufen die Hebel ansetzen. Die Trainingsgestaltung in den Clubs muss sich radikal ändern! Es wird viel zu viel taktisch und nur selten technisch trainiert!
Da aber Eiszeiten vielerorts sehr begrenzt sind, müssen wir den Aufwand auch neben dem Eis stark erhöhen (nicht nur im Sommer!). Stickhandling, Inline, Krafttraining, Mentale Fitness als Schwerpunkte.
MH: Ich stimme Nick voll & ganz zu, mehr technisch und einzeltaktisch zu trainieren, denn das sind unsere Schwachpunkte.

Wie arbeitet ihr mit der U18 zusammen? Was macht ihr mit der grossen Auswahl an Torhüterinnen?
NH: Eine erste Neuausrichtung hat bereits stattgefunden. In nächster Zeit werden sich die Nati-Staffs nochmals zusammensetzen und eine weitere Feinabstimmung vornehmen. Das Scouting und die erste Evaluation der Spielerinnen, wird aber in Zukunft vor allem von der U15 gemacht werden (müssen). Das ist jetzt schon absehbar. Da Bernhard und Michael Wittwer und Peter Reist sowohl in der U18 als auch in der U15 das TH-Coaching machen, haben wir eine bestmögliche Förderung der Torhüterinnen. Im Evaluations-Camp der U18 im März wurde erstmals ein Goalietag durchgeführt, bei dem nicht weniger als 10 Torhüter dabei waren!

Was motiviert Euch persönlich an dieser Sache?
MH: Die gute Zusammenarbeit innerhalb der Staff. Die gleiche Philosophie und Mentalität in sportlicher Hinsicht. Aber auch die Herausforderung, ein solches Team zu führen. Die grosse Wissensbegierde der Spielerinnen spornt mich zusätzlich an. Es macht Spass mit Athletinnen zusammenzuarbeiten, die Ziele mit viel Willen anstreben und bereit sind, alles zu geben.
NH: Wie schon mal hier gesagt: Die intensive Zeit in den Camps und speziell während den Spielen, entschädigt für alles! Da steckt man auch Nachtschichten, Stockungen und Pannen in der Vorbereitung weg. Extrem Spass macht auch die motivierende Zusammenarbeit mit den Leuten von der U18 und der A-Nati. Ich kann nur alle Clubtrainer einladen, bei einem Stage in einem Camp mal tiefer in ein Nationalteam hineinzuschauen!
TM: Die gute Zusammenarbeit mit Staff und Team. Dann helfe ich gerne, um motivierte, junge Spielerinnen, weiterzubringen.
VF: Mich motiviert es, diese junge Mannschaft, wie auch den Staff weiter zu unterstützen, damit die U15 auch weiter bestehen kann.

Ihr habt drei Wünsche frei für die kommende Saison und die Zukunft allgemein:
VF: Dass wir auch weiterhin von der A-Nati und der U18 Unterstützung bekommen.
TM: Dass sich die U15 möglichst optimal in das bestehende Umfeld der Nationalmannschaft einfügt. Dass wir den Verband von unserer Arbeit überzeugen können und sportlich möchten wir natürlich den Sieg am Bodensee-Cup verteidigen.
MH: Mehr junge Sportlerinnen & Sportler, die sich für das Eishockey interessieren und dieses auch gerne ausüben. Den Spitzensport noch besser mit Schule, Lehre, und Ausbildung verbinden können. Bei Euro-Millionen gewinnen und damit eine neue Eishalle bauen ;-)
NH: Unsere Girls wurden von den Camps (Stichwort: Playbook!) inspiriert und arbeiten in Zukunft noch zielstrebiger an ihrer Karriere! Der jahrelange Einsatz für mehr Nachwuchsspielerinnen beginnt sich sichtbar auszuzahlen! Trainer aller Stufen investieren genügend Zeit in ihre technische Weiterbildung und in Technikanalysen mit Video!

Merci villmool für eure Zeit und viel Freude in der kommenden Saison!