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Wednesday, 12. September 2007 10:27

 

Interview mit René Kammerer

Hallo René Kammerer – gerade zurück aus Füssen, wie geht es dir?

RK: Grundsätzlich gut. Ziemlich müde, solche Zusammenzüge kosten immer alle viel Energie.

Hat in den drei Tagen alles geklappt, konnte das Programm so durchgezogen werden, wie das angedacht war? Was habt ihr in Füssen gemacht?

RK: Ja, mehrheitlich hat alles geklappt. Anreise, vor Ort im Hotel, das Training, Mahlzeiten usw. Wo es Knackpunkte gab, hat das der Staff vor Ort so gelöst, auf das Team hatte es keinen Einfluss.

Wir hatten am Freitag 1 h Eistraining, dann am Samstag nochmals 50 Minuten Warm up. Dazu dann die 2 Ländersiele gegen Deutschland sowie einige Theorieblocks. Also ein ziemlich gedrängtes Programm.

In 2 Länderspielen gegen Deutschland habt ihr zweimal verloren. Was sind deine Gedanken zu den Spielen?

RK: (überlegt lange). Nun, es waren die ersten Spiele der Saison. Mit einer extrem kurzen Anlaufzeit.  Am Samstag haben wir phasenweise nicht sehr geschickt agiert, und uns zu Strafzeiten hinreissen lassen. International ist das tödlich. Am Sonntag hatten wir dieses Thema im Griff. Noch passte nicht alles zusammen, wir haben noch viel Arbeit vor uns.

Wie haben sich die Debütantinnen geschlagen? Wo steht das Team heute?

RK: Mit einer Ausnahme (TH) kamen alle Debütantinnen zu mehr oder weniger regelmässigen Einsätzen in beiden Spielen. Positiv bei allen der Wille, das Engagement, der Einsatz und die Bereitschaft zu lernen. Diesen (und auch anderen) Spielerinnen in etwas mehr als einer Stunde Vorbereitung die Anforderungen vom int. Spitzenfraueneishockey zu implementieren ist natürlich schwierig. Ein Spiel zu erfahren hilft da mehr. Auf dem Eis zu stehen, und erleben, wie es ist, wenn die Dutschen im eigenen Drittel wirbeln, das hat was von Schock Therapie und ist eindrücklicher. Wobei zu bemerken ist, die Spiele in Füssen waren nicht der WM Level. Deutschland hatte einige gewichtige Absenzen. Jetzt sind solche Erlebnisse noch möglich, Fehler erlaubt, auch wenn es dadurch hinten einschlägt. Wir müssen diese Spielerinnen an das Niveau heranführen. Ihnen eine Chance geben.

Wo ist Nachholbedarf? Das beginnt in der Grundausbildung (schiessen, skaten, passen), im einzeltaktischen Bereich, aber auch in den taktischen Grundlagen. Auch im physischen Bereich können sie noch Boden gut machen. Sowohl im max. Speed als auch in den fliessenden Rhythmus Änderungen. Sie werden nun antworten: “Das ist so ziemlich die gesamte Palette.“ Ja, das ist es - )

Es sind jedoch alles Dinge, die lernbar sind. Mit Training und Wille machbar. Es braucht Zeit, ist hart, weil anonym, aber möglich. Der Wille ist sicher da, jetzt müssen sie noch durchbeissen, auch wenn es einmal kein Einsatz gibt. Denn wir - und vor allem die Spielerinnen - müssen wissen, dass vom A Nati Debüt bis zu einer WM Teilnahme Jahre vergehen können. Und wir haben nun mal nicht die Mittel, unsere Zusammenzüge zu verlängern – leider. 

Zum Team: Bei den meisten Klubmannschaften hat der geregelte Eistrainingsbetrieb erst begonnen. Als Beispiel sei das Powerplay erwähnt. Wir hatten gerade einmal 20 Minuten Zeit dafür. Mit völlig neuen Formationen. Mit Spielerinnen, die eben erst zum Team gestossen sind. Da Husarenstücke zu erwarten wäre etwas überheblich. Auch im physischen Bereich gibt es noch Nachholbereich. Zudem müssen wieder Abgänge kompensiert werden, und das mit – unter dem Strich – weniger Zusammenzügen. Natürlich können wir auf den Erfahrungen aus der Vergangenheit aufbauen. Es ist noch ein langer – steiniger - Weg zu gehen bis nach China und zur Olympiaquali. Wir freuen uns darauf, diesen Weg gehen zu dürfen.  

Kann trotz der Resultate eine Aussage gemacht werden, ob man sich nun den Deutschen nähert oder nicht?

RK: Es ist schwierig, eine Aussage zu treffen. Beide Teams traten mit einer ziemlich veränderten Mannschaft gegenüber der WM an. Bei den Deutschen fehlten etliche Leistungsträger (Becker, Lanzl, Seiler, Soesilo, Ritter, Fellner, Ziegenhals etc.). Für diese hat der deutsche Bundestrainer einem Block U 18 Spielerinnen die Chance gegeben. Bei uns gab es im Vorfeld wieder einige Rücktritte. Wir haben Spielerinnen aus dem U 22 Kader eingebaut, da sich unsere U 18 auf die bevorstehende WM vorbereitet. Tendenziell ist das deutsche Team weiter als wir. Vor allem im physischen Bereich. Wir hatten Mühe ihre  Paradeformationen zu kontrollieren. Wir wissen, dass die Bundeswehr Soldatinnen mehrere tägliche Trainingseinheiten haben, zusätzlich zu den monatlichen Zusammenzügen mit dem Nationalteam, wo sie int. Top Turniere bestreiten. Wir stehen wieder vor einer schweren Aufgabe.

Wenn man über den Tellerrand schaut, was machen die anderen Nationalteams der Top Ten zur Zeit?

RK: Nun, diese Nationen – und ich gehe gar bis zur Nummer 12 – haben erkannt, worum es geht. Kanada, USA und bereits die Schweden müssen wir ausklammern. Die spielen in einer anderen Liga. Deren Aufwände lassen sich mit dem Rest der Welt schon gar nicht mehr vergleichen. Nehmen wir einige Beispiele dahinter. Da wäre gerade Deutschland. Welt Nummer 5. Wie mehrmals gesagt 13 Bundeswehrplätze. Eishockey ist deren Beruf. Sie bekommen dafür Geld. Tägliche Trainings, zusätzlich in praktisch jedem Monat ein Lehrgang von 5 bis 7 Tagen. Dann in der European Hockey Challenge (zusammen mit FIN, RUS und SWE) dabei. Da gäbe es noch mehr Details dazu. Oder die Chinesen. Nummer 8. Ca. 50 Spielerinnen sind in Harbin als Profis engagiert. Und das Team – das gesamte Team ! – wird für 3 Monate nach Kanada gehen, um dort 30 (!) Spiele gegen College Teams zu bestreiten. Japan. Der Aufsteiger. Welt Nr 10. Die waren bereits im August in Kanada und bestritten dort Spiele gegen die U19-Try Out Teams der Cannucks (4 Spiele). Die Schwedinnen waren auch dort (so nebenbei gesagt) und spielten letzte Woche gegen die Try Out Teams der A-Nationalmannschaft. Japan wird im Februar bei uns sein, um ein weiteres internationales Turnier zu bestreiten. Und ist zudem den Asia Games engagiert. Wenn wir weiter schauen, wäre da Frankreich. Nr.. 12. Dort ist pro Monat 1 Woche Zusammenzug. Teile des Staffs arbeiten vollamtlich. Alle Details dieser Nationen, oder den bewusst ausgelassenen Ländern hier aufzulisten würde zu weit führen, aber man kann, ja man muss sagen:“ Diese Nationen haben erkannt, dass Fraueneishockey

a)    olympisch ist (und der Olympia-Delegation so 20 zusätzliche Quotenplätze für Betreuer bringt!)

b)    möglicherweise noch in der Entwicklung, diese aber rasend voran schreitet

c)     Eine Investition ins heutige Fraueneishockey Programm auch eine Investition in die Zukunft ist. Und das nicht nur für Fraueneishockey, sondern für diese Sportart im Lande generell. 

Nun, nicht dass man uns ausgrenzt. Nein, Wir wurden auch schon angefragt, ob wir an solche Turniere kommen, nach Japan, Kanada usw. Leider mussten wir meist absagen, weil uns schlicht die Mittel fehlen. Auch in der European Hockey Challenge stehen wir aussen vor. Und....wer einmal absagt, ist draussen. Wer einmal dabei ist, bleibt dabei, das sind oft mehrjährige Vereinbarungen (siehe die European Hockey Challenge – 4 Jahre „geschlossene Gesellschaft“).

Das klingt nach einem grossen Unterschied innerhalb der Weltspitze. Wie wertest du also die 7. Position der Schweiz in der aktuellen IIHF-Weltrangliste?

RK: Es ist fast schon unglaublich, und ein Verdienst der Spielerinnen, die dafür einen hohen Preis bezahlen, sich dort zu halten. Denn alles was sie bekommen, sind Erinnerungen und Emotionen. Diese dafür sind unvergesslich und unbezahlbar.

Uns ist klar, dass aktuell das Fraueneishockey Nationalteam Programm noch nicht selbsttragend wäre, oder gar profitabel. Es ist uns bewusst, dass erst Leistungen gefragt sind, bevor Forderungen gestellt werden können. Und die Vorgänge auf Klubstufe sind dem nicht unbedingt zuträglich. Wir sind überzeugt, künftig Geldgeber zu finden, die das Produkt Fraueneishockey als lohnende Plattform sehen.

Aktuell ist es ein Teufelskreis. Sollten wir abstürzen, hört man schnell „Hat eh keine Zukunft, kostet nur...“ Wenn wir einen Exploit wie in Winnipeg schaffen: “Es reicht ja, der Aufwand, was braucht ihr mehr?“. Aus diesem Kreis auszubrechen ist eine enorme Herausforderung. Rein vom Aufwand her gesehen, gehören wir nicht in die Top Ten.   

Unsere Spielerinnen bezahlen einen finanziellen Beitrag, um an den Zusammenzügen dabei zu sein. Sie schlafen in Massenlagern, um zu sparen. Reduzieren ihr Arbeitspensum – ohne Finanzhilfen zu bekommen (in Deutschland bekommt jede Spielerin monatlich einen Betrag von der Sporthilfe) - Wir streichen Tage, suchen Gelder wo es geht. Das tönt nun nach jammern, das tun wir nicht -  nein. Alle sind mit enorm viel Herz und Leidenschaft dabei, dafür braucht es kein Geld. Aber alles kann man damit nicht aufwiegen.  

Wenn wir von „Welt“ sprechen, wie geht es eigentlich den drei Spielerinnen, welche gerade in ihren Universitäten in den USA das Studium begonnen haben?

RK: Nun, auch diese – so denke ich – haben eine Schock Therapie erfahren. Die Umstellung von den hiesigen Verhältnissen zu den dortigen ist zu Beginn ziemlich hart. Keine Frage. Durch diese Anfangsphase müssen sie durch. Wenn sie sich eingelebt haben, wird das zur Selbstverständlichkeit. Tägliche Eistrainings, wo sie immer an die Leistungsgrenze gehen müssen. Da ist der enorme Konkurrenzkampf sowie Erwartungen des Teams. Immerhin bezahlen diese den Lebensunterhalt. Dafür aber auch mehrere vollamtliche Coaches auf dem Eis. Daneben Off Ice Einheiten mit einem Spezialisten, und moderner Infrastruktur. Jede Woche Spiele auf höchstem Niveau und nebenbei noch die Ausbildung. Das alles muss verarbeitet werden. Aber soweit ich informiert bin, geht es allen gut. Ich bin überzeugt, sie werden sich durchbeissen. Das haben sie gelernt. Und sie werden nicht die letzten sein aus der Schweiz, die diesen Weg beschreiten. Hoffe ich zumindest. Nebst einer Eishocktechnischen Lehre auf höchstem Level, absolvieren diese Spielerinnen eine hervorragende schulische Ausbildung.    

Wie geht es nun weiter mit dem Nationalteam? Was sind die nächsten Termine?

RK: Im Oktober steht ein Blitz Zusammenzug in Wetzikon an. Gerade mal 1 Tag. (PS, Welt Nummer 1 bis 10 haben dann int. Turniere...) Am 09.-11.11 sind wir in Romanshorn und spielen dort 2x gegen Deutschland. Auf den Dezember freue ich mich besonders. Wir sind wieder einmal in der Westschweiz zu Gast. Spiele in Neuenburg (30.12.07) und Lausanne (31.12.07). Dann im Januar der Air Canada Cup. Just in der Zeit ist unsere U 18 an der WM in Kanada.

Im Februar dann ein Turnier in Romanshorn. Dort wollen wir was grösseres machen. Tja und dann geht’s schon mit grossen Schritten Richtung Osten. Mission A WM in Harbin.    

René, vielen Dank für das Gespräch und viel Glück auf dem weiteren Weg nach China!

RK: Merci