News

Friday, 01. September 2006 00:32

 

Fragen an Michael Fischer Coach Frauen Nationalteam zur neuen Saison

Michael Fischer, Turin ist seit 7 Monaten vorbei. Welche Eindrücke sind dir geblieben?

So viele, ich kann gar nicht aufzählen! Jeden Tag aus bestimmten Situationen kommen Emotionen, Bilder und Erlebnisse hoch, das ist ein fantastisches Gefühl. Man kann das kaum beschreiben, wenn man es nicht selber erlebt hat.

Welche Auswirkungen hatte oder hat Turin 06 auf die Entwicklung im Schweizer Fraueneishockey?

Man darf sich nicht, wie weithin immer die Meinung ist, auf eine Euphorie einstellen. So schnell der Ruhm kam, so schnell (Fussball-WM lässt grüssen) war das Interesse auch wieder weg. Aber in der bestehenden Frauenhockeybewegung hat es sicher einen Ruck gegeben, jetzt wo man gesehen hat, was mit Einsatz alles möglich ist. Dass man Dinge erleben kann, die sogar für gestandene Sportler manchmal ein Leben lang unerreichbar bleibt. Das wird uns sicher wieder ein Stück weiter tragen

In welche Richtung geht im Moment das internationale Fraueneishockey?

Vorwärts! Ganz klar. Die Bestrebungen der Teams um Weltrang 10 (Japan, Frankreich, zT auch Italien) zeigen, dass da eine grosse Welle kommt. Profitrainer, grosse Budgets, viele und lange Camps sind nur wenige Beispiele dafür, dass es eng wird an der Weltspitze, auch und vor allem für uns. Denn die Teams auf den Rängen 1 – 7 haben zu allem nochmals „ein Brikett nachgeschoben“, haben noch mehr Bemühungen genommen, auch weiterhin dort zu bleiben. Wir müssen im Moment extrem aufpassen, dass wir nicht ins Hintertreffen geraten. Oder noch deutlicher gesagt „Schadenbegrenzung“ betreiben. Denn der Aufwand den wir betreiben können ist eigentlich nicht einer Weltnummer 8 würdig. Leider muss das so gesagt werden

Was sind die nächsten Höhepunkte mit der Nationalmannschaft?

Oooh, da gibt es nur Höhepunkte. Da wir eine ausgesprochene „Auswärts“-Saison haben kommen wir in den Genuss von Spielen in Frankreich, Russland, Deutschland (Air Canada Cup) und dann in Kanada zur WM in Winnipeg mit dem Eröffnungsspiel gegen die absolute Nummer 1 Kanada – „wow“ sage ich da nur!

Die Schweiz ist aktuell im A Pool, wie gross sind die Chancen dort zu bestehen, und was muss dafür geleistet werden?

Wie gesagt, iunser Ziel muss klar der Ligaerhalt sein. Das können wir wiederum im einen „berühmten“ Spiel bewerkstelligen, wenn wir in der Vorrunde auf die Deutschen treffen. Aber die sind nicht umsonst die Nummer 5 der Welt. Sie haben 13 Bundeswehrprofis in ihren Reihen und mit Soesilo und Lanzl nochmals zwei Überseesöldnerinnen. Wir sind klare Aussenseiter in dieser Gruppe, die ja auch noch Kanada enthält. Aber sag niemals nie. Einmal sind die Deutschen an einem grossen Turnier fällig. Dass wir nahe dran sind zeigen die Resultate der letzten 8 Spiele gegen sie

Stichwort WM in Winnipeg. In der Gruppe mit Kanada und Deutschland. Welche Gedanken kommen da auf?

Wie oben schon erwähnt, zuerst einmal – wow – eine grosse Herausforderung und eine grosse Ehre, dort sein zu dürfen. Nichts desto trotz wollen wir bestehen und dieses Gefühl kommt in mir auf. Ich sehe uns jubeln im MTS-Center in Winnipeg, das sind meine Gedanken und nur das zählt!

Wie ist aktuell der Stand der Vorbereitungen in der laufenden Saison in der A Nationalmannschaft?

Nach dem Kick-Off und den Leistungstests sowie dem Try-Out in Wetzikon starten wir nun in die Vorsaison mit einem Camp im Oktober. Dort haben wir zwar die Überseespielerinnen nicht dabei, dafür aber Talente aus der U22 und der U18, die sich in den letzten Camps aufgedrängt haben. Danach geht es schon nach Frankreich wo wir das erste Mal unter Länderspielbedingungen testen. Dort wollen wir gewinnen und das Kader für die beiden immens wichtigen Camps in Russland und Deutschland bestimmen.

Aktuell gibt es 2 U Teams, die U 18 als IIHF Wettkampfmannschaft und die U 22 als Zwischenstation. Wie beurteilst du die Dringlichkeit dieser Teams, und was sind deren  Schwierigkeiten?

Aufgrund der rund 750 lizensierten Frauen in der Schweiz ist die Zahl von 3 Nationalteams sicher richtig gewählt. Da das Durchschnittsalter einer A-Nationalspielerin um die 24 Jahre liegt ist es wichtig, zwischen dem Austritt aus der U18 und dem möglichen Eintritt in eine A-Nationalmannschaft eine Zwischenstufe zu haben, die den Spielerinnen Plattform und Länderspielmöglichkeit zugleich ist. Da aber die nationale Spitze eher dünn ist, ist die U22 nicht mit einem zu grossen Kader gesegnet.
Die U18 erfreut unser aller Herzen in ihrer grossen Arbeit in der Talentsichtung und
–förderung. Wir dürfen sagen, dass wir international verglichen mit dem Nachwuchs grosse Arbeit leisten. Etliche Teams in der Weltspitze haben gar keine Nachwuchs-nationalmannschaft. Nach den langen Diskussionen um eine U18-WM, die jetzt nicht stattfinden wird hoffe ich schwer, dass die U18 an das Einladungsturnier der IIHF aufgeboten wird, damit sich die ganze Arbeit auch mal lohnt und die Motivation hoch hält.

Vancouver 2010. Was wird seitens Verband, Nationalteam, Partner, Klubs unternommen, um dort wieder dabei zu sein?

Ich setze ganz allgemein voraus – alles! Es kann nur dieses Ziele geben und alle müssen auf diesen Zug aufspringen, damit wir es nochmals schaffen können und Turin keine „Eintagesfliege“ war. Swiss Olympic zB hat uns in der Förderstufe eine Kategorie nach oben gesetzt und steht uns vor allem im Sommertrainingsbereich tatkräftig zur Seite. Der Verband lässt uns die ihm mögliche Unterstützung zukommen und wir geniessen ihr Vertrauen. Bei den Klubs dagegen ist zZt eine schwierige Zeit auszumachen. 2 LKA-Teams mussten ihre Mannschaft zurückziehen, andere haben grosse Finanzprobleme. Um als Nationalteam bestehen zu können muss der Boden gut sein, und den können nur die Klubs bieten. In diesem Sinne hoffe ich, dass die Liga und die Klubs wieder festen Boden unter den Füssen finden und die Spielerinnen bestmöglichst fördern werden.

Wie würdest du das Umfeld in der CH für internationales Spitzen Fraueneishockey bezeichnen. Wo kann – oder muss – der Hebel angesetzt werden.

Klar in der Ausbldung. Einmal Training zu Randzeiten in den Klubs reicht einfach nicht. Spielerinnen die international bestehen wollen müssen sich zwingend weitere Trainingsmöglichkeiten erschliessen. Jüngere Spielerinnen sollten sich zudem ernsthaft überlegen, möglichst lange in dne Knabenteams mitzuspielen und den Wechsel ins Damenhockey erst mit 18 zu machen. Darüber hinaus ist ein Wechsel in ein nordamerikanisches College oder in eine Universitätsmannschaft anzustreben. Dort sind die Bedingungen um ein vielfaches besser. Das ist so

Stell dir vor, ich wäre ein junges Mädchen. Warum soll ich Eishockey spielen?

Wie eine mir bekannte aus dem nahen Ausland kommende Spielerin es immer wieder sagt: „weil es die schnellste und mit Abstand geilste Mannschaftssportart der Welt ist“. Dem ist nichts anzufügen J

Das junge Mädchen ist älter geworden, was muss ich tun, um in der Nationalmannschaft zu spielen? Was muss ich bereit sein zu leisten resp. opfern? Und was bekomme ich dafür?

Wie oben angetönt ist ein Verbleib in einem Knabenteam bis 18 eigentlich gegeben. Anschliessend muss sie sich ihr Frauenhockeyumfeld genau aussuchen um die besten Bedingungen zum Trainieren und spielen und eben weiterkommen zu schaffen. Ein Wechsel in eine nordamerikanische College-, Universitäts- oder Klubmannschaft wird dabei mehr als begrüsst, sollte sich denn die Gelegenheit ergeben. Dabei gilt wie so oft: ohne Fleiss kein Preis. Der Preis für eine Nationalspielerin ist gross, musst du doch deutlich mehr trainieren als andere, nicht nur on sondern eben auch off ice. Beschäftigungsgrade zu kürzen sind dabei keine Seltenheit mehr, will man dem alles gerecht werden. Viele einsame und teure Stunden muss man investieren und auf dem Weg wohl auch mal einen Dämpfer erleben.
Aber was sie bekommen kann, wen sie es denn geschafft hat, das kann man selbst in den kühnsten Träumen nicht ausdenken! Turin, China, Russland, Kanada usw sind Ziele die man anfliegt um dort Eishockey spielen zu können. 15'000 (!) Zuschauer im Eröffnungsspiel gegen Kanada können sie erwarten, wenn es an eine WM im Mutterland des Eishockey geht. Oder eben später mal Vancouver 2010! Dies werden die mit Abstand besten Winterspiele aller Zeiten, davon bin ich überzeugt. Nur schon das zu erleben, wäre jeden Preis wert, oder besser gesagt, jede einzelne Schweissperle in einem der unzähligen Trainings bis dahin!


Michael Fischer, besten Dank und viel Erfolg mit dem Team!