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René Kammerer (Headcoach)

Monday, 12. December 2005 00:36

 

Interview mit René Kammerer betreffend Olympia

«Wir sind für eine Überraschung gut»

Die Frauen Eishockeynational- mannschaft hat sich im November 2004 zum ersten Mal für Olympische Spiele qualifiziert. In rund 50 Tagen können die Schweizerinnen ihr Können in Turin auf dem Eis gegen Mannschaften wie die USA, Finnland und Deutschland unter Beweis stellen. espace.ch hat Nati-Coach René Kammerer zu seinen Gefühlen, Zielen und Problemen als Trainer befragt.

Olympische Winterspiele in Turin 2006

Herr Kammerer, welches war bisher Ihr schönster Moment als Trainer der Schweizer Frauen-Eishockeynati?

René Kammerer: Da muss ich nicht lange überlegen: Das war eindeutig die Olympiaqualifikation in Peking im vergangenen Jahr.

Kam diese überraschend für Sie?

Nein, überhaupt nicht. Das ganze Team war von Anfang an davon überzeugt, dass wir das schaffen können. Dass der entscheidende Treffer sechs Sekunden vor Schluss fiel, mögen einige als Glück bezeichnen. Ich persönlich glaube nicht an Glück.

Für alle im Team ist es die erste Teilnahme an olympischen Spielen – auch für Sie. Was bedeuten die Winterspiele für Sie persönlich?

Als Trainer richte ich meinen Fokus natürlich in erster Linie auf die Spiele. Ich möchte beweisen, dass wir gut Eishockey spielen können, Akzeptanz und Respekt schaffen und ein nachhaltig positives Erlebnis für die Frauen-Eishockey-Szene in der Schweiz bewirken.

Das ist eine sehr emotionslose Antwort. Wie sieht es mit Ihren Gefühlen aus?

Ich übe mich zur Zeit darin, meine Emotionen zu kontrollieren. Ich will ruhig bleiben und Gefühle, die mich an meiner Arbeit hindern, nicht aufkommen lassen. Wenn ich dann aber in Turin bin, wird es wohl schon ein überwältigendes Gefühl sein.

Das offizielle Ziel für die Frauen-Eishockeynationalmannschaft von Swiss Olympic ist der sechste Rang. Was trauen Sie Ihrem Team in Turin zu?

Der sechste Rang ist sicher ein realistisches Ziel. Als Trainer trete ich mit meiner Mannschaft jedoch bei jedem Spiel an, um es zu gewinnen. Wir werden an den olympischen Spielen ganz klar Aussenseiter sein. Aber glauben Sie mir: Dieses Team ist für eine Überraschungen gut...

Wo sehen Sie die Stärken Ihrer Mannschaft?

Die grosse Ausgeglichenheit ist sicher eine unserer Stärken. Mein Team spielt mit grosser Leidenschaft, viel Freude und Kreativität.

Gibt es Schwächen?

Natürlich nicht! (lacht) Spass bei Seite: Natürlich haben auch wir Schwächen. Da meine Spielerinnen neben dem Eishockeyspielen noch 60 bis 100 Prozent arbeiten, haben wir im physischen und spielerischen Bereich noch viel Potenzial. Wir haben zu wenig Zeit und zu wenig finanzielle Ressourcen. Das ist eine grosse Schwäche.

In der Mannschaft spielen Frauen zwischen 16 und 32 Jahren. Ist diese Durchmischung ein Vorteil für die Mannschaft?

Es ist in erster Linie eine Herausforderung. Natürlich hat eine 16-Jährige völlig andere Interessen und Erwartungen als eine 32-Jährige. Dieser Tatsache muss ich Rechnung tragen. Ich versuche, von allen das Beste mitzunehmen. Die Älteren bringen viel Erfahrung, Ruhe und Gelassenheit mit, die Jungen zeichnen sich durch Hemmungslosigkeit und Übermut aus. Das ist eine gute Mischung.

Ein paar Ihrer Spielerinnen spielen in den USA Eishockey. Bemerken Sie gegenüber den Schweizerinnen Niveau-Unterschiede?

Das ist eine schwierige Frage. Es gibt ohne Zweifel Niveau-Unterschiede, was nicht zuletzt auf die unterschiedlichen Rahmenbedingungen zurückzuführen ist. Lassen Sie es mich so ausdrücken: Siegeswille haben alle Schweizerinnen im Team. Und das ist es, was zählt.

Welches ist aus Ihrer Sicht der grösste Unterschied zwischen Frauen- und Männerhockey?

Dass Frauen ganz andere physiologische Voraussetzungen haben als Männer, ist eine von der Natur gegebene Tatsache. Aus diesem Grund ist das Frauenhockey weniger kraftbetont und weniger schnell. Da das Spiel aber nicht ständig wegen Bodychecks unterbrochen werden muss, ist es auch flüssiger.

Mit welchen Problemen haben Sie als Frauennati-Trainer im Alltag zu kämpfen?

Mit mehreren. Auf der einen Seite habe ich ein Zeitproblem, da die Spielerinnen alle berufstätig sind. Zudem habe ich zu wenig Spielerinnen und die Vereine, bei welchen die Frauen während der Meisterschaft spielen, haben zu wenig Geld. Täglich auseinander setzen muss ich mich auch mit Kritikern gegenüber dem Frauenhockey.

Sie haben während des Interviews bereits mehrmals den Faktor Geld angesprochen. Welche Rolle spielt er im Frauenhockey?
Eine grosse. Es ist mir klar, dass wir zuerst Leistung bringen müssen, um an mehr Geld zu kommen. Es ist allerdings auch eine Tatsache, dass man zuerst investieren muss, bevor man den Erfolg «ernten» kann. Es wäre schön, wenn ich in einem professionalisierten Umfeld arbeiten könnte.


So spielt die Frauen-Eishockeynationalmannschaft in Turin:

11. Februar 2006: USA - Schweiz
13. Februar 2006: Finnland - Schweiz
14. Februar 2006: Schweiz - Deutschland
17. Februar 2006: Halbfinals/Playoffs 5-8
20. Februar 2006: Final/Kleiner Final/Playoff 5-6, 7-8