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Tuesday, 09. April 2019 23:49

 

Schweden nicht mehr erstklassig!

Es war wahrlich historisch, was heute Nachmittag zu vermelden war: Schweden, stolze Hockeynation und erst letzthin noch Gewinner der U18-Silbermedaille, ist nicht mehr erstklassig. Zum ersten Mal seit Einführung der Frauen-WM 1990!

Sureal, Herzrasen, ungläubiges Staunen. Der letzte Versuch, das Unentschieden noch zu erreichen gescheitert. Spielerinnen der Tre Kronor sinken in die Knie und die japanische Bank entleert sich zu einer Jubeltraube um Keeperin Nana Fujimoto. Schweden ist abgestiegen.

Schweden ist abgestiegen. Wurde Opfer des Wahnsinssmodus und seiner selbst. Schaffte es nach einer überzeugenden Saison nicht, an der WM die vermeintlich "Kleinen" auf Distanz zu halten und den angestrebten Viertelfinal gegen Erzrivale Finnland zu erreichen. Nein, es kam ganz anders. Ayaka Tokos Slap ins Kreuz erlegte die taumelnden Elche endgültig und schickte sie in noch nicht gekannte Agonie. Ein Albtraum. Ausgerechnet an der WM im Land des grössten Rivalen.

Schweden ist abgestiegen. Im wahrsten Sinn des Wortes - bereits über eine längere Zeit. Noch 2014 schien die Sonne als man Dauerrivale Finnland im Viertelfinale der olympischen Spiele in Sotschi überraschend schlug und diese in einem Tränenmeer zurückliess. Für die gekränkten Suomi der Startschuss in einen nie dagewesenen Effort bis hin zur Gegenwart und der angestrebten Medaille an der Heim-WM.
Gleichzeitig aber begann für "Sverige" die noch nicht erkennbare Talfahrt.
Fragwürdige Personalentscheide und zu früh einsetzende Vorfreude auf eine Bronzemedaille gegen die Eisgenossinnen endeten in einem der grössten Debakel der Frauenhockeygeschichte. Während die Schweizerinnen jubelten wurde hinter den Kulissen der längst beschlossene Trainerwechsel vollzogen und Ikone Leif Boork übernahm.
Unter seiner Ägide wurde es aber nicht besser, lag er doch in ständigem Grabenkampf mit einigen wichtigen Meinungsträgerinnen im schwedischen Fraueneishockey. Erstes Zeichen war die Niederlage im Penaltyschiessen im Eröffnungsspiel der Heim-WM 2015 im Malmö. Gegner damals: Japan.

Schweden ist abgestiegen. Die Punkte in der Weltrangliste mit ihnen. Doch das war am Anfang noch o.k., war der Vorsprung doch gross genug und qualifizierte sich direkt für die olympischen Spiele in Pyeongchang. Während die Schweiz durch die Mühlen der Quali musste. In Plymouth noch hielt man sich die Eisgenossinnen mit einem knappen 2:1-Erfolg vom Leib, wurde aber von Deutschland mit der offensichtlichen Trap in der neutralen Zone gebodigt. Seit Sotschi sind die Schwedinnen nie mehr über das Viertelfinale hinausgekommen. 
Was sie im olympischen Turnier 2018 in die "untere" Gruppe B versetzte, wo ihnen die Schweiz die im Nachhinein wohl entscheidende Niederlage zusetzte. Phoebe Staenz erwischte die gelb-blaue Abwehr Backdoor und versenkte den Pass von Christine Meier. Das brachte die Elche am Schluss ins Kreuzsspiel gegen... Japan. Wo die Nippon in der Overtime Schweden ins Spiel um Rang 7 schoss.

Schweden ist abgestiegen, in die Gruppe B der ersten 10er-WM der Geschichte. Da für das erstmalige Setzen nicht die Resultate der letzten WM sondern jene der Weltrangliste zählten. Und Schweden sich "dank" Olympia neu auf dem 6. Rang wiederfand. Und nun in Espoo in die "Todesgruppe" musste. Doch es war ja alles gut. Die neue Trainerin Ilva Martinsen übernahm vom gescheiterten Leif Boork und führte die Tre Kronor zu überzeugenden Saisonresultaten. Die Schweizerinnen wurden in zwei Aufeinandertreffen mit total 12:1 Toren regelrecht überfahren. Doch das war ohne den Druck einer Gruppenphase, welche 2 von 5 Teams direkt in die Relegation schickt. "Exhibition" wie man sagt. Schön zu lesen aber ohne Wirkung auf die Tabelle.

Dass Tschechien, einmal mit dem vollen Line-up anwesend viel stärker sein würde als unter dem Jahr wo sie meist die Hälfte der Stars zu Hause liessen, war absehbar. Und das Deutschland eine Turniermannschaft ist weiss man längsthin. Und genau diese beiden Teams setzten den Schwedinnen in den ersten beiden Spielen zu und hinterliessen anstelle zufriedener Viertelfinalsplanung das nackte Entsetzen in den Gesichtern der stolzen Nordländerinnen. Zwar machte Schweden nicht viel falsch, zogen ihr schnelles und druckvolles Spiel auf. Aber im entscheidenden Moment fanden sich zu wenige, welche wirklich aufgestanden sind und lieferten. So entfachten die wenigen Funken keinen Flächenbrand sondern versuchte die Delegation die wenige Glut irgendwie noch anzufachen.
Doch schon das Spiel gegen Frankreich war mehr ein Hinauszögern als ein Befreiungsschlag. Die "Bleus" klammerten sich vehement an den letzten Strohhalm des möglichen Ligaerhalts und gaben das ihnen Mögliche dazu. Und hätten die Französinnen die Physis ihrer Gegnerinnen gehabt, so wäre erstmals die Marseillaise angestimmt worden anstatt - zum einzigen Mal! - die schwedische Hymne.
Denn nur tags darauf war nochmals Verlieren verboten. Und wieder schien alles gut. Schon früh traf Nordin zur Führung. Und diese hielt stand. Doch Japan liess sich nicht distanzieren. Und mit jeder Minute wurden die Zweifel grösser, ob das knappe Resultat halten könnte. Es tat es nicht. Japan tat, was sie auszeichnet. Und sie schlugen im einen Moment des kleinen Fehlers gnadenlos zu. Anstelle zu versuchen den Lob aus dem Drittel in der Luft abzufangen hätte die schwedische Verteidigerin besser den Rückzug angetreten. So verpasste sie den Puck und die Nippon setzten zum blitzschnellen Konter an. Ehe Yoneyama unter Kontrolle war hatte sie bereits die Hereingabe von Captain Osawa versenkt und das grosse Zittern begann.
Engström liess die Dämme in der 48. Minute nochmals brechen als sie Fujimoto von der Grundlinie überraschte. Doch Japan brach wiederum nicht. Und fuhr seine Maschine unbeirrt fort. Bis eine Schwedin müde gespielt war und das notwendige Foul beging. Und die nackte Panik in die Box der Schwedinnen brachte. Und Panik ist bekanntlich ein schlechter Berater denn es kam wie es kommen musste. Akane Shiga brachte die Scheibe aus sicherer Entfernung in den Slot wo sie für Schweden unglücklich an einem Bein abprallte und ins weite Eck kullerte. Aber es war ein Tor und nun war die Uhr nur 9 Minuten vor Schluss wieder auf Null. Und begann gnadenlos gegen die Schwedinnen zu laufen. Und 75 Sekunden vor dem Ende der regulären Spielzeit blieb sie für die Tre Kronor endgültig stehen. Zuvor leistete sich Erika Grahm eine Strafe und nicht lange auf der Bank sitzend musste sie mitansehen, wie Tokos Hammer ins Kreuz das Undenkbare besiegelte. Schweden ist abgestiegen.

Schweden ist abgestiegen. Und es wird nun wohl eine Weile lang heftig gewittern in Stockholm. Doch dann, wenn die Wolken verzogen, die richtigen Schlüsse gezogen, der olympische Verband wieder mehr unterstützt und der wegweisende Plan lanciert sind wird Schweden wieder zurückkommen. Hoffentlich stärker als zuvor.
Doch im Moment gilt: Schweden ist abgestiegen. Das sind keine Fake-News sondern ist Realität. Bittere Realität.