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grenzenlose Freude in Harbin (courtesy iihf.com)

Tuesday, 08. April 2008 17:46

 

Tagesbericht A-Nati, 8.4.2008

Der heutige Tag sollte das erste Spiel der Zwischenrunde der Gruppenzweiten bringen, das den Gruppengewinner ins Bronzemedaillespiel portiert. Für die Schweizerinnen stand ausgerechnet der Knaller gegen Schweden an. Vor einem Jahr in Winnipeg verlor man noch mit 0:4 und war chancenlos geblieben.

Nach dem Warm-up zog sich das Team von René Kammerer zur Spielbesprechung und anschliessender Ruhe zurück. Man durfte gespannt sein, ob man ein Jahr später gegen denselben Gegner wieder als Verlierer oder Gewinner vom Eis geht.

Das Spiel begann wie erwartet mit viel Druck und Chancen für Schweden. Die Weltranglistendritten stellten ihre drei grössten Spielerinnen (je 1.80 m) in einen Sturm und wollten wohl die Eisgenossinnen optisch platt walzen. Oder Strafen provozieren die sie dann ausnutzen wollten. Eine solche kassierte die Schweiz auch bereits früh im ersten Drittel. Insgesamt sollten es 6 alleine im ersten Spielabschnitt sein. Mit dieser letzten im ersten Drittel sollte der Match dann aber so richtig lanciert. werden. Bis anhin hatten die Schweizerinnen alle Chancen zu nichte machen können. Und was durchkam war sicher Beute der einmal mehr überragenden Florence Schelling im Tor der Eisgenossinnen. Die Schweizerinnen konnten im besagten Unterzahlspiel die Scheibe gewinnen und einen Konter fahren. Leimgruber legte auf Lehmann und diese schoss ihr erstes von drei Toren an diesem Abend. Verdutzt schauten sich die Schwedinnen an, wurden sie doch von dem Geschehenen sichtlich überrascht. Die Reaktion aber war heftig und Schweden konnte das noch laufende Überzahlspiel doch noch nutzen und auf 1:1 stellen. Gross war ihr Jubel und das allein war schon ein Kompliment für das Schweizer Team. Wer nun aber dachte, alles gehe seinen gewohnten Weg sah sich getäuscht. Luccy Nussbaum nutzte einen Wechselfehler der Schwedinnen aus und lancierte Stefanie Marty die sich durch alle Nordländerinnen und den Goalie durchtankte und herrlich, nur wenige Sekunden vor der ersten Pause zum 2:1 einschoss. Trotz 6 Strafen und 3:11 Schüssen auf die Tore stand es also 2:1 für die Schweiz.
Mit sichtlichem Mumm traten nun die Schweizerinnen zum 2. Drittel an, mussten aber bereits nach etwas über 2 Minuten den erneuten Ausgleich hinnehmen. Jordansson lenkte unglücklich für Schelling mit dem Schlittschuh ab, da es keine Kickbewegung war zählte das Tor. Das aber brachte die Schweizerinnen keineswegs aus dem Konzept. Im Gegenteil: in der 29. Minute schaffte Lehmann erneuteinen Durchbruch, lanciert von Steffi Marty konnte sie sich vors Tor kämpfen und schloss Backhand in die weite Ecke ab und erhöhte für die Schweiz auf 3:2. in der 35. Minute wiederum verwertete Schweden eine weitere Powerplaychance mit dem 3:3. Danach sollte die grosse Abwehrschlacht und die Zeit von Florence Schelling erst beginnen. Mit jeder Minute mehr drückten die Schwedinnen weiter und die Schweizerinnen verteidigten ein ums ander Mal mit grossem Herz und Engagement. So zählten sich die Sekunden, und diese wurden zu Minuten und schliesslich war es kurz vor Schluss als Laura Ruhnke sogar noch zweimal die Entscheidung auf dem Stock hatte. Einmal scheiterte sie im Alleingang am schwedischen Keeper Marti'n, das andere mal segelte eine Direktabnahme nur Zentimeter am Pfosten vorbei. So kam de Verlängerung und darin die letzte Strafe gegen die Schweiz. Noch einmal brandete Welle um Welle auf's Schweizer Tor aber mit jeder Sekunde schrieben die Schweizerinnen aufopfernd an ihrer grossen Geschichte hier in Harbin. Ein letzter Befreiungsschlag, die Sekunden rannen dahin und die Overtime war vorbei. Jubeln mochte noch niemand denn noch war nichts entschieden. Headcoach René Kammerer stellte seine Schützinnen zusammen, 2 meldeten sich freiwillig, eine Dritte wurde bestimmt. Die Schweiz wählte den ersten Schuss für sich und so lief erneut Lehmann an. Der Schweizer Captain lief gerade auf Marti'n zu, hielt sie in der Mitte und erwischte sie mit einem Handegelenkschuss zwischen den Beinen. Zum ersten Mal explodierte die Schweizer Bank und Florence Schelling machte sich für ihren erstne Penalty bereit. Jordansson lief an täuschte auf Schelloings Fanghand zog nach links und... Schelling slidete noch in den Versuch den Puck in der entfernten Ecke zu versorgen. Immer noch 1:0 Schweiz! Nun lief die vorhin bestimmte Rahel Michielin an, Jahrgang 1990. Warum? "am Morgen beim Warm-Up konnte sie die verlorene Wette der Verteidigerinnen gegen die Stürmerinnen mit einem Penaltyerfolg wieder herstellen. Sie tat das souverän!" äusserte sich Head René Kammerer zur Wahl der jungen Thurgauerin. So lief sie an, mit der Absicht den Coup vom Morgen zu wiederholen und damit die Schwedinnen in arge Bedrängnis zu bringen. Michielin zog nahe auf's Tor, Marti'n machte unten zu, so war die hohe obere Fanghandecke offen, ise schoss, der Fänger kam zu spät aber - Ping - der Pfosten rettete Schweden noch einmal vor der wohl endgültigen Entscheidung. Die Spannung war nicht zu ertragen und die Halle kochte als Schwedens Weltstar Rooth anlief. Wie zu erwarten war schloss sie mit einem unglaublich harten Handgelenkschuss ab, traf aber ebenfalls nur die Torumrandung. So mussten die letzten beiden Penaltys entscheiden. Zuerst hatte Stefanie Marty die Möglichkeit, die Schweiz in die ewigen Geschichtsbücher zu schiessen. Sie lief ihre zuvor mit geschlossenen Augen wie ein Skifahrer einverleibte Variante ab, düpierte Marti'n auch zur Stockhandseite, jedoch liess auch Marti'n ihre Weltklasse aufblitzen und holte ihrerseits den Schuss aus der weiten Ecke heraus. So stand wieder Schelling im Brennpunkt und die Spannung war in der Luft fast schon mit Messern zu schneiden. Alle lagen sich in den Armen, hielten den Atem an. Holmlöv lief an, trickste mehrere Male schnell und sicher vor Schelling zog auf ihre Fanghandseite und....

Schelling hielt - aus- das Spiel war aus!!! Um 17.48 Uhr Lokalzeit explodierte das Stadion unter dem Geschrei der Eisgenossinnen die innert Sekundenbruchteilen eine Jubeltraube bildeteten während der Staff auf der Bank auf und ab hüpfte. Es war tatsächlich wahr geworden. Die Schweiz schlägt Schweden an einer WM, knickt die Medaillenhoffnungen der stolzen Weltnummer 3 schon fast auf die nur noch theoretische Seite. Endlose Leere in den Gesichtern der Skandinvierinnen, grenzenloser Jubel auf Seite der Schweizerinnen, die soeben den grössten Sieg in der Geschichte der Nationalmannschaft errungen hatten.

Und so tönte zum zweiten Mal die Schweizer Hymne im Stadion Harbins und alle sangen sie unser Landeslied so laut und so schön wie noch nie zuvor.

"Wahnsinn, unglaublich, phänomenal! Als wir vor dem Warm-Up in die Garderobe kamen sahen wir in die Augen der Spielerinnen und wussten, dass es heute keine Worte braucht und wir schickten sie einfach raus mit den Worten - schaut einmal in eure Augen, so g... - und sie schafften das Wunder von Harbin, das Swiss Miracle on Ice" so ein aufgelöster Assistant Coach Michael Fischer gleich nach dem Spiel. "Die Spielerinnen liefen und liefen und waren frech und furchtlos. Nicht alles Attribute die wir vor einem Jahr gehabt haben. Zudem waren sie geduldig und im Abschluss effizient. Und schliesslich und endlich spielte Flo Schelling im Tor eine Weltklassepartie. Schlicht sensationell was sie hier bislang gezeigt hat. Für mich ist sie klare All-Star Kandidatin" so Fischer weiter. "Ich bin einfach nur stolz auf dieses Team und die Entwicklung über das Jahr und speziell hier in Harbin. WAs diese Gruppe leistet ist fast nicht fassbar. Eine Gruppe Aussenseiterinnen lehrt hier allen das Fürchten und das mit einer Selbstverständlichkeit, die einem Gänsehaut macht. Jetzt aber gilt es sich sofort wieder zu fokussieren, denn noch ist nichts gewonnen. Am Donnerstag wartet eine ganz schwere Partie gegen lauter russische Profis auf uns. Aber wir werden alles geben, auch dieses Spiel zu gewinnen um dann am Samstag um Bronze zu spielen. Das wäre dann aber wirklich der echte Überknaller!" so Headcoach René Kammerer nach dem Spiel.

Der Abend wurde dann doch recht kurz, waren alle doch müde und legten sich früh schlafen. Vielleicht auch, um nochmal diesen Moment zu geniessen und erst einmal zu verarbeiten.

Am gleichen Tag fand noch ein weiteres Hockeywunder statt, schlug doch Finnland die U.S.A. in der Overtime mit 1:0. Den Hals nochmals aus der Schlinge ziehen dafür wohl die Deutschen die dann am Abend Japan knapp mit 2:1 schlagen konnten und somit wohl den Abstieg vermeiden können. 

Hier gibt's die Fernsehbilder zur Schweizer Sensation in Harbin des schwedischen TV!

Bilder des Matches gibt's auf der IIHF-Seite (Direktlink) und den Spielbericht hier