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Friday, 17. August 2007 07:53

 

Interview mit J. Toggwiler

Hallo Jörg Toggwiler, die eher ruhige Sommerzeit neigt sich dem Ende zu. Wie hast du den Sommer überstanden?

TJ: Ich persönlich habe mit dem U18-Staff neben unseren 100% Jobs viele taktische Sachen für die WM aufbereitet. Nebenbei haben wir (der gesamte Frauennati-Staff und Roma Lehmann) mit der Hilfe meines Freundes Bastian Egger auch die Website www.frauennati.ch neu aufgebaut. Der Vorteil der neuen Website ist, dass wir alle Beiträge jetzt selbst verwalten können.
Dazu haben wir im neuen Member-Bereich die Möglichkeit dem Team sowohl administrative wie auch eishockeyspezifische Mitteilungen zu machen.
Was das U18 Team anbelangt, haben wir im Sommer viele neue Spielerinnen kennengelernt und getestet. Einige davon versprechen viel Gutes für die Zukunft!
Daneben haben wir vom U18-Staff versucht die Spielerinnen für das Sommertraining zu motivieren. Die Girls haben in den drei Camps sehr gut gearbeitet.


Mit der U 18 wart ihr in Finnland. Welcher spontane Gedanke kommt dir dazu in den Sinn?

TJ: Wir sind auf dem richtigen Weg!
„Dori“ (blauer Fisch mit nervender Angewohnheit aus dem Film Nemo) muss endlich gehen (nur für Insider , gell Girls ;-) )!

In Finnland konntet ihr 3x gegen FIN spielen. Welches Fazit ziehst du daraus?

TJ: Fazit Nr1: Wir könnten mitspielen (Konterspiel), nicht nur mauern!
Fazit Nr2: Wir machen zu viele krasse individuelle Fehler!    
Fazit Nr3: Pässe und Schüsse sind unsere absoluten Schwachpunkte.

Welches sind die Unterschiede zwischen dem Qualifikationsturnier in Februar dieses Jahres und diesen drei Länderspielen?

TJ: Wir haben dieses Camp voll auf Ernstkampf ausgerichtet. Ein kurzes Training am Morgen, Matchvorbereitung wie es an der WM sein soll und danach Videoanalysen zum Spiel. Trotzdem war der Druck natürlich nicht so hoch, dementsprechend war leider die Konzentration auch nicht immer auf dem Level wie im Februar.

Wie haben sich die beiden Teams (FIN und SUI) in der Zeit vom Quali-Turnier bis jetzt entwickelt?

TJ: Das finnische Team musste mehr Spielerinnen mit Jahrgang 1989 ersetzten als wir. Beide Teams konnten aber die Weggänge sehr gut kompensieren.
Der größte Unterschied liegt jedoch bei den Jahrgängen. Finnland hat einen guten Mix in den Jahrgängen 1990, 1991 und 1992. Wir haben genug Spielerinnen mit Jahrgang 1990 und auch bei 1992er sieht es gut aus. Der Jahrgang 1991 ist bei uns mit einer Stürmerin, einer Verteidigerin und einem Goalie von der Menge her viel zu schwach besetzt.
Bei den Torhüterinnen haben wir meiner Meinung nach einen kleinen Vorteil. Finnland hatte im Februar einen absoluten Top-Goalie, was man von ihren jetzigen U18-Goalies nicht sagen kann. Wir haben mit Flo Schelling auch einen absoluten Weltklasse-Goalie altersmäßig verloren, haben aber mit Flo Unterluggauer und Sophie Anthamatten zwei Goalies, die ebenfalls auf Weltklasse-Niveau spielen können.

Es war ein Novum in der Schweiz, dass eine U-18-Fraueneishockey-Nationalmannschaft so lange im Ausland in einem Camp war. Stimmt diese Aussage? Und wenn ja, was sind die Erfahrungen damit?

TJ: Ja, diese Aussage stimmt fast! Wir waren vor Jahren mit der damaligen U20 eine ganze Woche in Montreal (CAN). Dort waren auch schon Spielerinnen aus dem heutigen Kader dabei.
Diese Camps sind meiner Meinung nach der einzige Weg, um mit der Spitze mithalten zu können. Spiele gegen Novizen oder gegen vermeintlich schlechtere Gegner sind gut, keine Frage, aber Gegner wie Finnland oder andere aus den Top 10 bringen uns, trotz der Niederlagen, viel mehr, weil wir im Moment gar nicht so weit von ihnen weg sind.
Dieses Camp war Bestandteil einer Abmachung zwischen Finnland und der Schweiz. Wir absolvieren 2-mal pro Saison solche Camps zusammen. Je einmal in Finnland und in der Schweiz. Die Finnen konnten in dieser Woche genau wie wir, das Team im Detail einbeziehungsweise zusammenstellen und verschiedene Spielzüge ausprobieren. Daneben blieben auch beiden Teams Zeit genug, um Teambildung und Fitness zu betreiben.

Wenn ich richtig informiert bin, findet die erste U 18 WM im Januar 08 in Kanada statt. Ist das korrekt, und – wenn ja - welche Gedanken schießen dir dabei in den Kopf?

TJ: Die WM findet in Kanada statt. Wir vermuten oder erhoffen uns als Austragungsort Calgary. Gedanken habe ich persönlich diesbezüglich keine, dafür sind wir schon zu nahe dran.
Für die Girls wird es ein unglaubliches Erlebnis, an der ersten U18 WM dabei zu sein. Wir versuchen unser Team mit unserer Erfahrung und derjenigen der A-Nati darauf vorzubereiten.

Nach welchem Modus wird gespielt, und wer sind die Gruppengegner der Schweiz?

TJ: Stand heute ist, dass in zwei Gruppen jeder gegen jeden (Round Robin) spielt, das heisst drei Spiele in drei Tagen, danach 1 Tag Pause, dann kommen die Halbfinals und der Final der die Platzierungsspiele. Wir treffen in der Gruppenphase auf die USA, Schweden und Russland, danach entweder auf Kanada, Finnland, Deutschland oder Tschechien.

Welche Chancen und Vorstellungen hast du an die WM. Was erwartest du dort? Wie laufen die Vorbereitungen? Kurzum, die heutigen Gedanken des Headcoaches zur WM.

TJ: Die WM in Kanada wird von der Stimmung her phänomenal sein. Unser Team hat sehr gute Chancen. Das Team hat enormes Potenzial! Wenn alle in den nächsten Monaten hart arbeiten und das Team unser System gut umsetzt, ist ein Platz unter den Top 6 möglich.
Der Fokus ist im Moment auf dem nächsten Camp im September. Unser Ziel ist ganz klar. Wir wollen nicht nur an der WM dabei sein. Wir wollen eine Visitenkarte hinterlassen. Die Spielerinnen müssen in spezifischen Bereichen bis zum nächsten Camp Fortschritte ausweisen.
Der Coaching-Staff trifft sich mindestens alle 2 Wochen abends und analysiert das Team, unser Spiel und die Gegner. Wir stehen mit allen Spielerinnen wöchentlich in Kontakt. Wir wollen alles tun, damit wir bestens vorbereitet sind.

In der Schweiz wurde das U 22-Programm eingefroren. Was sind die Gründe hierfür, und was bedeutet das nun für die Spielerinnen aus der U 18?

TJ: Es waren mehrere Gründe, die zu diesem Entscheid führten. Für die Spielerinnen aus der U18 bedeutet das im Moment wenig. Nach der WM allerdings werden 14 Spielerinnen aus dem U18-Kader entlassen. Einige wenige schaffen vielleicht den Sprung direkt in die A-Nati, für alle anderen ist es jedoch zu früh.
Diese Spielerinnen müssen im Pool bleiben und als Gruppe für internationale Einsätze weiter geschult werden. In welcher Form wird sicher noch diskutiert werden. Die U22 ist eine sehr gute Variante (besser als die frühere B-Nati) und Hans Weber (Headcoach U22) hat unsere volle Unterstützung.

Einige Teams in der Schweiz – vor allem LK A – haben grosse Probleme. Wie beurteilst du diese Situation?

TJ: Ja, ich habe das auch mitbekommen. Die Situation ist für mich nur bedingt verständlich. Alle Eishockeyclubs beklagen rückläufige Zahlen im Nachwuchs. Oft sind die Mädchen nicht erwünscht, nur weil die Verantwortlichen das nicht wollen. Ich höre oft Ausreden wie, Mädchen können nicht Eishockey spielen oder wir haben nicht genug Garderoben. Solche Aussagen kommen meiner Meinung nach von Leuten, die noch nicht begriffen haben, was im Schweizer Clubhockey geändert werden sollte.
In Kanada zum Beispiel kommen die Kids bis zu einem gewissen Alter bereits in der Hockeyausrüstung ins Training und müssen nicht eine Stunde vor Trainingsbeginn auf der Eisbahn sein (Wieso auch?). Das ist vor allem ein Zeitgewinn für die Eltern. In den meisten Clubs in der Schweiz werden in erster Linie nur Jungs rekrutiert und die  Mädchen können nur spielen, weil sie zu wenig Jungs haben.
Erfreulicherweise gibt es immer wieder Ausnahmen. Winterthur zum Beispiel unterstützt die Girls ungemein und behandelt sie genau gleich wie die Jungs, denn das ist es, was die Girls wirklich wollen, gefordert und gefördert werden. Das Resultat ist, dass diese Spielerinnen wirklich sehr gutes Eishockey spielen, im Team auch Verantwortung übernehmen und dies bringt auch die Topspieler weiter.

Wo ist für dich der größte Unterschied vom nationalen zum internationalen Fraueneishockey?

TJ: Der Hauptunterschied ist wie im Herren-Eishockey auch die Geschwindigkeit. Da die Spielerinnen atletischer sind, läuft alles schneller ab. Durch die höhere Laufgeschwindigkeit sind die puckführenden Spielerinnen immer unter Druck. Die Pässe müssen härter gespielt werden.
Dadurch muss auch im physischen Bereich mehr gearbeitet werden. Wer mit den Top 20-Nationen (nicht Top 10) mithalten will, muss definitiv mehr als 2-mal pro Woche trainieren.

Toggwiler Jörg, Danke für das Interview. Wir werden uns sicher noch hören, bis dahin viel Erfolg.